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Die Krise in der Krise - Über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf unsere Klient_innen

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Martin Weber,  Qualitätsmanagement

 

 

Schwieriger hatten es diejenigen, die über kein Zuhause verfügen, etwa jene, die von Obdachlosigkeit betroffen sind oder in prekären Wohnsituationen leben. Das Gleiche gilt für Arbeit. Denjenigen, die von Gelegenheitsjob leben, fehlte mit einem Mal die Existenzgrundlage, Sexarbeiter_innen blieben ebenso auf der Strecke. Dazu kam die erschwerte Beschaffung des Suchtmittels. Der Schwarzmarkt war kurzfristig nicht existent, doch auch die Schließung von Gasthäusern und Bars veränderte den Alltag mancher Alkoholkonsument_innen unfreiwillig. Dazu kommen allgemeine Probleme der sozialen Teilhabe: Der hohe Stellenwert, den die digitalen Medien mit einem Mal bekamen, stellte viele unserer Klient_innen vor Probleme, weil ihnen die Kompetenz und/oder die Geräte fehlten.

Während der Zugang zu Ämtern und Behörden stark eingeschränkt war, blieben Einrichtungen der Suchthilfe für die Klient_innen durchgehend erreichbar. Die Standorte des Dialog, an denen Betreuung und Behandlung stattfinden, verzeichnen keinen einzigen Schließtag. Besonders zu Beginn mussten wir uns mit Notlösungen behelfen, etwa die Rezeptausgabe durchs Fenster. Die Klient_innen wussten das zu schätzen. Die Klient_innenbefragung 2021 zeigt eine hohe Zufriedenheit mit den Angeboten während der Pandemie, wobei sowohl telefonische als auch (eingeschränkte) persönliche Termine als entlastend beschrieben wurden. „Einfach zu wissen, da ist jemand trotz Corona“. Wir als Einrichtung erhielten die Bestätigung, dass gerade das Beziehungsangebot in der Betreuung von immenser Wichtigkeit ist. Bezüglich Telefonbetreuung sammelten wir neue Erfahrungen – und wir erkannten die Notwendigkeit, mit unseren Klient_innen auch an der digitalen Kompetenz zu arbeiten.

Nun ist die Pandemie vorbei, doch alle Probleme sind damit nicht gelöst. So kompetent viele Klient_innen zu Beginn von Covid ihre Situation auch meisterten, langfristig zeigen sich Probleme. Die Isolation hinterlässt besonders bei denjenigen Spuren, die den Anschluss ganz verloren haben, zudem beobachten wir bei vielen eine Verschlechterung des psychischen Zustands. Dabei spielt natürlich auch eine Rolle, dass die Nachrichten von der Umweltzerstörung, der Krieg in Europa und die Teuerungswellen die Krise prolongieren.

Dass sich das Konsumverhalten verändert hat, kann nicht eindeutig belegt werden, aus der Klient_innenbefragung lässt sich jedoch ablesen, dass das allgemeine Gesundheitsbewusstsein gestiegen ist.

Studien zum Konsum im Allgemeinen während der Pandemie weisen keinen signifikanten Anstieg aus (bis aufs Thema digitale Medien / Spielen), doch stehen wir jetzt vor einer veränderten Problemlandschaft. So lässt sich die Rückkehr von Heroin und Benzodiazepinen beobachten. In der Suchtprävention nimmt das Thema „psychische Belastungen“ besonders bei Jugendlichen eine herausragende Stellung ein.

Somit wird die Pandemie die Suchthilfe noch länger beschäftigen, sei es in der Aufarbeitung mit bestehenden Klient_innen, sei es durch neue belastete Zielgruppen.

Lockdowns, Einschränkungen im alltäglichen Leben, Angst vor Infektion – für alle Menschen brachen mit Covid ungewöhnliche Zeiten an, die ihre Spuren hinterlassen haben. Gerade für vulnerable Gruppen, wie die der Suchterkrankten, brachte diese Zeit besondere Herausforderungen. Teilweise überraschte auch uns, wie sie diese bewältigten. Viele unserer Klient_innen haben neben der Abhängigkeit auch andere psychische Erkrankungen, die sich zum Teil durch die Abschottung verstärkt haben. Gleichzeitig erwiesen sich aber viele auch zu Beginn der Pandemie als krisenkompetent, weil sie auf Grund ihrer psychischen Verfassung oder materieller Voraussetzungen Abschottung gewohnt sind. Ein Klient drückt es so aus: „Das Zu-Hause-Bleiben war auf einmal so normal.“

Dialog - individuelle Suchthilfe

Hegelgasse 8/11, 1010 Wien

+43 1 205 552

office@dialog-on.at

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