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Bahn frei für Suchtprävention im Betrieb

Ein Interview mit Mag. Martin Mayer, Fachkoordinator Psychologie im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements bei den ÖBB.

Seit 2018 schult die Suchtprävention und Früherkennung in zahlreichen Workshops Führungskräfte der ÖBB. Parallel dazu finden Seminare zum Thema Gesundes Führen statt. Zu Beginn wurden die Inhalte in Präsenzschulungen vermittelt, inzwischen wurde auf Blended Learning umgestellt: Einem Halbtag in Präsenz gehen ein Webinar und Wissensvermittlung durch eigens gestaltete Videos voraus. Wir fragen Mag. Martin Mayer, Fachkoordinator Psychologie im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements bei den ÖBB, was die Auseinandersetzung mit dem Thema Sucht bewirkt.

Suchtprävention ist in vielen Betrieben ein Tabuthema, warum war es den ÖBB wichtig, sich mit damit auseinanderzusetzen?

Martin Mayer: Gesundes Führen ist seit langem ein zentrales Thema bei den ÖBB. Es gilt dabei, dieses allgemeine Anliegen zu konkretisieren. Das Thema Sucht ist dafür gut geeignet. Es war uns ein Anliegen, dafür zu sensibilisieren und gleichzeitig klare Handlungsanleitungen zu geben. Schließlich berührt das Thema auch den Arbeitnehmer_innenschutz und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

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Martin Weber (Dialog) im Gespräch mit Martin Mayer (ÖBB)

Hat sich das auf die Kultur im Unternehmen ausgewirkt? Sucht am Arbeitsplatz offen anzusprechen, stellt da ja doch einen Tabubruch dar.

 

Martin Mayer: Das stimmt, aber letztendlich gibt es wenige, die dem offenen Umgang damit negativ gegenüberstehen. Die Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter_innen zu erhalten und ihre Gesundheit zu fördern, ist meiner Ansicht nach eine der wichtigsten Aufgaben einer mitarbeiter_innenorientierten Führung, gerade auch in der Zukunft. Die Attraktivität als Arbeitgeber wird sich unter anderem auch daran messen, wie sehr man auf gesunde Arbeitsbedingungen achtet. Deshalb sind diese Schulungen für uns ein Leuchtturmprojekt.

Gibt es da konkrete Maßnahmen im Betrieb?

 

Martin Mayer: Ja, wir haben zum Beispiel eine Helpline eingerichtet, bei der ÖBB-interne Psycholog_innen für unterschiedliche Fragen zum Thema Gesundheit erreichbar sind. Das bietet einen niedrigschwelligen Zugang für alle Anliegen unserer Mitarbeiter:innen. Auch wenn wir nicht genau den Grund jedes Anrufs dokumentieren, so ist das Thema Suchtmittelkonsum auch darunter.

Was ist denn konkret zum Thema Suchtprävention im Unternehmen passiert?

 

Martin Mayer: Ich bin erst seit einem halben Jahr in dieser Position, kann mich aber gut erinnern, dass meine Vorgängerin mittlerweile schon vor einigen Jahren auf dem Starnberger Management Forum das Programm Gesundes Führen / Suchtprävention mit der Interventionskette zum Thema Sucht präsentiert hat. Die Teilnehmer_innen haben ihr damals die Unterlagen förmlich aus der Hand gerissen, weil es einfach ein good practice-Modell darstellte. Entstanden ist die Interventionskette mit klaren Handlungsanleitungen innerhalb eines größeren Projekts in langer Vorarbeit, aber dann war auch die Ausbreitung aufs gesamte Unternehmen startklar. 2018 begannen die Schulungen für alle Führungskräfte mit zwei Teilen: Gesundes Führen und Suchtprävention. Das war ein großer Wurf, denn immerhin werden alle Führungskräfte im ÖBB-Konzern zu diesen Themen geschult. Der Dialog war von Anfang an dabei und hat den Teil Suchtprävention übernommen.

Diese Schulung ist für die Führungskräfte verpflichtend. Führt das nicht zu Widerstand?

 

Martin Mayer: Im Großen und Ganzen wird es gut angenommen. Natürlich erkennt nicht jede Führungskraft zu Beginn den Sinn für die eigene Tätigkeit, aber ich habe den Eindruck, dass sie überzeugt und gestärkt aus den Schulungen gehen. Viele betonen, dass es hilfreich ist, klare Handlungsanleitungen zu erhalten. Unser Ziel ist es, alle zu erreichen und das Thema Gesundheit insgesamt in die Fläche zu bringen. Vergessen wir nicht, dass die Fürsorgepflicht im Vordergrund steht. Und wenn die Führungskräfte das Thema positiv vertreten, dann ist das der beste Hebel dafür, auch bei den Mitarbeiter_innen einen gesunden Umgang zu fördern.

Die Schulungen wurden ja auch evaluiert...

Martin Mayer: ... und alle Teile wurden sehr positiv bewertet. Die beste Note hat dabei das Präsenzseminar zum Thema Suchtprävention erhalten, in dem ihr sehr konkret auf die Interventionen und die Gesprächsführung eingeht.

Ermutigt das die ÖBB, sich des Themas weiter anzunehmen?

 

Martin Mayer: Definitiv. Wie gesagt: Arbeitsfähigkeit und Gesundheit sind personalpolitisch ganz wichtige Themen für die ÖBB, gerade auch hinsichtlich des Fachkräftemangels und auch angesichts der aktuellen demografischen Entwicklungen. Wir wollen die Vorbildwirkung und das hohe Engagement der Führungskräfte erhalten, aber auch neue Kolleg_innen in der Leitung laufend mit ins Boot holen. Zudem ist Suchtprävention ein Querschnittsthema. Wir arbeiten jetzt an einer eigenen Interventionskette für Lehrlinge und werden uns dann der Lehrlingsausbildung widmen. Die ÖBB bilden zurzeit rund 1800 Lehrlinge aus, da sehen wir schon einen großen Bedarf.

Es ist also viel zu tun, auch in Zukunft. Vielen Dank für das Gespräch.

Martin Mayer: Auch ich möchte mich bedanken, für die inzwischen jahrelange gute Kooperation. Dank eurer professionellen Unterstützung kann man sagen: Das Thema Suchtprävention kommt an!

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